MONTABAUR, 28.09.2018
Beten, zuhören, da sein
Die Kirchturmuhr schlägt neun. Schwester Felizitas Garbas geht in ihrem weißen Ordenskleid den gepflasterten Weg entlang. Links im kleinen Park sitzen eine Pflegerin und zwei Bewohner des Azurit-Seniorenzentrums. „Guten Morgen“, rufen sie der Schwester zu. Sie grüßt freundlich zurück. Auch im Speisesaal des Hauses sitzen noch einige Bewohner beim Frühstück und grüßen die Schwester. „Guten Morgen“, antwortet Schwester Felizitas. „Um halb vier ist heute wieder Rosenkranz.“ „Ich komme“, sagt ein älterer Herr, der in der Ecke des Raumes sitzt.
Schwester Felizitas gehört zu den Dernbacher Schwestern. Sie kommt fast täglich ins Seniorenzentrum Azurit und spricht mit den Menschen, ist für sie da, betet mit ihnen. Alles ehrenamtlich. Es war ihr wichtig, dass sie in einer Einrichtung tätig ist, die nicht generell schon mit Kirche in Verbindung gebracht wird, etwa weil sie unter kirchlicher Trägerschaft steht. „Ich komme sehr gerne hierher. Es macht mir Freude, mit den Menschen zu arbeiten“, sagt die Schwester. Mit ihren 75 Jahren hat die zierliche Frau mit Augenproblemen zu kämpfen. Eine Operation hat sie gerade hinter sich. Die Heimbewohner wissen das. „Wie geht es Ihnen, Schwester?“, fragen sie. Oder: „Was macht das Auge?“.
Seit sechs Jahren im Azurit
Die Schwester ist beliebt, die Bewohner und die Mitarbeiter des Seniorenzentrums sind sich da einig. „Schwester Felizitas geben wir nicht mehr her“, sagt Ansgar Göbel. Er ist Ergotherapeut und hat Schwester Felizitas, als sie vor sechs Jahren mit der Seelsorge und ihren Besuchen in Montabaur angefangen hat, herumgeführt. Er ist im Azurit nicht nur für die Ergotherapie, sondern auch für die Veranstaltungen zuständig. „Wir versuchen immer alle Bewohner mit einzubeziehen, wie zum Beispiel bei unserem Sommerfest. Und wenn es geht, ist Schwester Felizitas auch immer dabei."
Dienstags ist die Ordensfrau den ganzen Tag im Haus. Dann besucht sie die Strickgruppe, ist aber auch auf den verschiedenen Stationen unterwegs und spricht mit den Menschen. Nachmittags um 15.30 Uhr betet sie den Rosenkranz. Zu Beginn waren es nur vier Bewohner, die dazu gekommen sind, jetzt sind es teilweise zwanzig. „Wenn Schwester Felizitas betet, kommen sie alle“, sagt eine Bewohnerin. Schwester Felizitas besucht die Bewohner in ihren Zimmern und hat ein offenes Ohr und ist zudem im Heimbeirat. „Es geht immer um die Bewohner, dafür setzen wir uns ein“, sagt Schwester Felizitas. „Und natürlich auch für die Mitarbeiter“, fügt sie hinzu. Davon ist auch Sascha Königshoven, der Leiter des Azurit, überzeugt: „Wir pflegen hier ein gutes Miteinander und Schwester Felizitas sagt mir auch offen und ehrlich, was gut und was schlecht läuft.“
Kleine Sätze mit großer Wirkung
Ursprünglich stammt Schwester Felizitas aus Schlesien. Sie spricht Deutsch und Polnisch. Auf der Demenzstation im unteren Stock hilft ihr das vor allem bei einer Bewohnerin, die aus Polen stammt. „Sie freut sich immer so, dann spreche ich mit ihr Polnisch“, sagt die Dernbacher Schwester. Weiter hinten im Raum sitzt ein älterer Herr. „Ist heute wieder Rosenkranz?“, fragt er. „Ja, um halb vier“, antwortet die Schwester. „Mir geht es zwar nicht so gut, aber zum Rosenkranz komme ich“, sagt der Herr. „Wenn es ihnen nicht so gut geht, bleiben sie ruhig hier“, sagt Felizitas. „Nein, nein. Ich komme“, kündigt er überzeugt an.
Es sind aber auch die kleinen Worte und Sätze, die ihre Arbeit ausmachen. Für jeden der Bewohner hat die Schwester ein liebes Wort: „Schön, Sie zu sehen“, „Ich mag Ihren Pulli, das ist meine Lieblingsfarbe“ oder „Toll sehen Sie heute aus“ sind Sätze, die die Bewohner freuen. „Es gibt mir so viel, hier bei den Menschen zu sein“, sagt Schwester Felizitas. Und eigentlich tue sie ja gar nichts. Das sehen die Bewohner aber anders: „Es ist wunderschön, wenn die Schwester mich besucht“, erzählt Monika D’Alicandro. Sie war erst nur zur Kurzzeitpflege im Azurit und wohnt jetzt dort. „Die Schwester ist für mich ein Trost, überhaupt durchzuhalten.“ Ihr Mann, Mario D’Alicandro, ist auch begeistert von der Schwester: „Als es meiner Frau schlecht ging und ich nicht wusste, was ich tun sollte, konnte ich mich immer an Schwester Felizitas wenden und sie anrufen. Ich bin sehr dankbar.“
Den Menschen Mut zusprechen
Die Schwester kümmert sich um alle Menschen. Dabei geht es ihr nicht darum, ob jemand katholisch oder evangelisch ist oder überhaupt einer Religion angehört. „Ich höre allen Menschen zu. Ich habe nicht die Befugnis, zu verurteilen und möchte offen sein und den Menschen Mut zusprechen“, sagt Schwester Felizitas. „Gott liebt alle Menschen.“